Das „Schwulistan“ ist die verbürgt älteste Schwulenkneipe in Westberlin, die, bei freier Fenstereinsicht, ohne Türsteher und Klingel auskam. Irgendwann in den 1970’ern eröffnet. Jedenfalls begab es sich, dass David Bowie in einer WG mit Iggy Pop zwei Häuser weiter einzog und die Spelunke mit seiner Präsenz veredelte. Seither gilt der Schuppen als Wallfahrtsort für die Fangemeinde, die hier alljährlich seinen Geburtstag (08.01.) am darauffolgenden Samstag (der Deutsche muss schlafen) feierlich begeht. Nun beliebte Herr Bowie, am 10.01. 2016 den Löffel abzugeben, was die Gemeinde seiner Jünger in eine tiefe Krise stürzte. Was galt es nun zu feiern? Geburtstag oder Ableben? Weihnachten und Ostern fielen plötzlich in eine Woche. Und so beschloss der Bowie-Verfolger, aus der Not eine Tugend zu machen und die Bowie-Gedenkwoche einzuführen; mit den beiden Pilgerstätten seiner Haustüre in der Hauptstraße 155 und seiner Stammspelunke in der 157. Soweit, so ungut.

Denn man sollte nicht der Illusion erliegen, bei den Gläubigen handele es sich um Glamour-Epigonen, die ihrem Gott per wilder Verkleidung und Travestie huldigen. O nein, von Ziggy Stardust keine Spur. Es wankt adultes Gammelfleisch durch die Pforte der unterdes schwer heterosexuell vertoxten Kneipe – alles verrostet, vergilbt und mit Grünspan versetzt, und es könnte sich um eine Chris-Howland Gedächtnisparty handeln, hätte der Wirt das Café nicht mit fragwürdigen Bowiebildern galeriert, die für die Anwesenden den Odem einer nie vorhandenen Vergangenheit ausdünsten.

Fans sind eine eigene Spezies, die wahrscheinlich mal Homo Sapiens hat werden wollen. Einiges unter dem Kompost trägt T-Shirts mit der Aufschrift „Bowie changed my life“ – es ist im Augenschein nicht feststellbar. Wenn dieser „Change“ stattfand, dann doch sehr im Verborgenen.

Aus ganz Deutschland rücken Rotten an, und sie verlassen ein ums andere Mal die Lokalität, um vor der Haustüre ihres angebeteten Barden kollektiv zu trauern – oder sich zu freuen, man weiß es nicht.

Inspiriert werden die Amöben von einem verschimmelten Musikanten mit Ukulele, der vor dem heiligen Tor seine Sangeskünste zum Besten gibt – mal alleine, mal mit Publikum; doch immer blecken die billigen Jacketkronen wie Blitzlichter in der Dunkelheit, und er gibt amorphe Balladen von sich, deren wahre Identität schlicht nicht überprüfbar ist. Egal, Hauptsache das Gemeinschaftsgefühl stimmt. Wie bei den Gaffern eines schlimmen Unfalls.

Ist jener Kurzzyklus beendet, stürmen die trauernd Feiernden zurück ins Schwulistan, die Gesichter erhellt von dem Lächeln Pubertierender nach der ersten halbwegs erfolgreichen Masturbation, und schreien sich wild an. Sie schreien so laut, dass sie gar nicht in den Hauch des Verdachts geraten, die aus den Boxen quellenden Bowieklänge zu vernehmen. Es geht nicht um ihn oder irgendwen, es geht um die vergammelten Mehrzeller, die sich die Pinte unterdes so warmgefurzt haben, dass die Scheiben beschlagen.

Angeführt wird die jämmerliche Truppe von Walross Antje, dem Präsidenten des Fanclubs und somit per Ermächtigungsgesetz Bowies Stellvertreter auf Erden. Dem Anlass entsprechend hat er sich in Bluejeans geschmissen und einen flotten Pullunder übergeworfen – jugendlich frisch, da jagt der LIDL-Abteilungsleiter einmal pro Jahr die Sau übers Parkett. Er schafft binnen vier Stunden ein großes und ein kleines Fassbier und lässt sogar 40 Cent Trinkgeld zu liegen – angesichts der Feierlichkeiten sollen alle Fünfe gerade sein.

Bemerkenswert die abgefüllte Spanierin, eigens aus ihrem Herkunftsland importiert, die den Satz „Yo no hablo español” nicht versteht und bis zum Erbrechen auf Spanisch monologisiert, bis Teufel Alkohol ihre Wortmaschine außer Gefecht setzt. Irgendwann verschwindet sie, verweht wie eine faulige Sommerbrise vom frisch mit Dung bestellten Acker.Auch das Paar aus Xanten ist nicht ohne. Alljährlich reist es an, dem Glamourgott Respekt zu zollen. Er ehrt ihn mit einer stolzen Rotzbremse, sie mit blond-gebleichtem Haupthaar. Sie reden viel mit dem Musikanten, der mit oder ohne Ukulele vor der unschuldigen Haustüre der 155 steht un bizarre Balladen bläht. Bahnt sich da ein Dreier an? Man weiß es nicht. Man will es nicht wissen.Die Gedenkveranstaltung ist rasend spießig, scham- und witzlos, komplett Charme-neutral. Es mufft nach alten, unbefriedigten Genitalien, und man denkt nur: “Wenn Bowie, dessen Fan ich nie war, das sehen würde, er würde vom Himmel her den Event vollkotzen.”

Es ist großartig – das Leben ist schrecklich schön.