Am 22.November 1981 stach das ZDF-Traumschiff zum ersten Mal in See, um mediokre Mimen in exotische Landschaften abzutransportieren, wo sie in heiter-besinnlichen Episoden belanglose Schmonzetten aufsagen und sich auf Gebührenzahler-Kosten die Sonne auf den Pelz brennen lassen durften.

Das Konzept, dass weiße Arier vor exotischen Kulissen Lappalien verhandeln, stammte von Wolfgang Rademann, der für so ziemlich jede öffentlich-rechtliche Todsünde verantwortlich zeichnete, und der die Idee wiederum vom US-„Loveboat“ und der DDR(!)-Serie „Zur See“ geklaut hatte. Anstatt es der Mutter aller Luxusliner, der Titanic, gnädig gleichzutun, überstand die Touristenwanne ihre Jungfernfahrt, hat inzwischen vier Massenmülltransporter verschlissen und 84 Folgen lang die untersten Niveaugrenzen ausgelotet.

Bei über den Daumen gepeilt 1,6 Millionen Euro pro Folge (genau lässt es sich nicht sagen, denn des Senders Transparenzverständnis ist eher unorthodox) kommen wir auf irgendwas über 130 Millionen, die Wiederholungstantieme nicht mitgerechnet. Ein Sümmchen also, wofür die angepeilte Oma eine gute Weile stricken muss.

Nun wollen wir keine Korinthenkacker mit Abakus sein. In Zeiten, da sich der Normalbürger noch keine Fernreisen leisten konnte, entfaltete das ÖR-Kidnapping an unbekannte Gestade zumindest den morbiden Reiz, die bunten Ziele mit den Kakaomenschen jenseits von Postkarten, Katalogen oder verranzten Lexika zu bespannen. Bei drei TV-Sendern hatte das eine zwar verschwitzte, aber nicht zu leugnende Berechtigung. Heute aber, 38 Jahre nach Folge Eins, ist das Mutterschiff ZDF, um in nautischer Metaphorik zu verweilen, in schweres Fahrwasser geraten.

Erst kamen die blöden Privatsender, dann das bescheuerte Internet, und plötzlich sieht sich auch die letzte Bastion der guten alten BRD, der Mainzer Lerchenberg (im Volksmund zärtlich als „Meenzer Leichebäch“ geneckt) dazu gezwungen, zu begründen, was sie versendet. Bei rund acht Milliarden Euro, die den ÖR-Rundfunkanstalten jährlich zufließen (im Vergleich: die qualitativ in der Champions-League spielende BBC kommt gegen den Regionalligisten Deutschland mit werbefreien 4,2 Milliarden aus) und schwindender Akzeptanz bei der Jugend (also allem unter Vierzig) muss man sich schon die Frage gefallen lassen, an wen sich visuell aufwendigen Hochglanzprodukte im intellektuellen Sturzflug wenden wollen, und inwiefern sie sich mit dem im Staatsvertrag verankerten Bildungsauftrag verknüpfen lassen.

Im Fall des „Traumschiff“ wiegt der Zweifel daran tonnenschwer wie der Hedonisten-Pott, der nach wie vor (auf unfassbar ewig dauernde zwei Stunden zerdehnt) zur Primetime nicht nur den Geist verpestet. Es bedarf schon der Quadratur des Kreises, ein von Sexismus und Herrenmenschen-Gehabe durchseuchtes Format, das auf der denkbar schlimmsten Dreckschleuder verortet ist, in Tagen des Klimawandels einigermaßen zu rechtfertigen.

Das ZDF durchschlägt jenen gordischen Knoten mit der Larmoyanz alter Männer, deren Uhr zu Straßenfeger-Zeiten stehengeblieben ist: Das Traumschiff soll jünger und weiblicher werden, dann ist es für die nächsten Dekaden gerüstet. Keine geistige Darmwindung scheuend haben sich die verantwortlichen Redakteure (die sich wohl herzlich gern an Deck des Flaggschiffs die Eier schaukeln) dafür entschieden, den Volksbarden Florian – formerly known as Mrs. Fischer – Silbereisen das Kapitänspatent zu verleihen, assistiert von dem talentneutralen Schlagersternchen Sarah – who the fuck is? – Lombardi und der Pro7-Ulknudel Joko – Zirkus Halligalli – Winterscheidt. Am zweiten Weihnachtstag und Neujahr dürfen die fassungslosen Zuschauer den Wahnsinn bezeugen. Die Frage, wer da wem ins Hirn gekotet hat, wird unbeantwortet bleiben. Die kritische aber, inwiefern die ÖR-Rundfunkanstalten weiterhin blindwütig Geld verschleudern dürfen, wird an Brisanz gewinnen. Und die ist in Tagen rechtspopulistischen Backrolls, der unabhängige und für jeden zugängliche Medien zur Disposition stellt, eine sehr brisante.

Wie imposant und kostspielig das ZDF an seiner eigenen Abschaffung arbeitet, nötigt dem vernunftbegabten Wesen fast schon so etwas wie Respekt ab. Das erinnert an den alten Witz von dem Betrunkenen an der Titanic-Bar, der angesichts des gerammten Eisbergs lallt: „Ein paar Würfel wären genug gewesen.“