Man muss ja was tun fürs Geld wenn die Geschäftslage durchhängt wie Heidi Klums Oberarme. Also habe ich in einem Meinungsforschungsinstitut angeheuert – okay, Call als Callboy im Callcenter, das kommt gut, entspricht aber nicht ganz den Tatsachen. Denn das ist ja eine Institution wo man als Fragemaschine tätig ist, und nicht eine nach Indien outgesourcete Beratungshotline, die sich immer genau dann als wenig hilfreich erweist, wenn man ganz dringend auf Hilfe angewiesen ist.

Nein, „wir“ sind was ganz Seriöses, so was wie Forsa oder Allensbach. Statistische Erhebungen, Sonntagsfragen, derlei. Das ist nun freilich keine Astrophysik, aber auch nicht das Allerbescheuertste, was man in seinem Leben tun musste, um anzuschaffen.

Jedenfalls ist dieses Paralleluniversum, das sich einem da als Sprechdienstleister auftut, recht spannend. Jede Laborratte hat eine kleine Box mit Bildschirm und Headset, und dann dirnt man sich unter romantisch flackerndem Neonlicht an die potentiellen Befragungsopfer heran, überzeugt sie, warum nun ausgerechnet SIE dazu auserkoren sind, Deutschlands Meinung in ihrer gesamtherrlichen Breitweite zu repräsentieren.

Da bekommt man bisweilen schon denkwürdige Reaktionen, wobei „Hurensohn“ noch ziemlich gemäßigt ist, was man mit einem freundlich gehauchten „Ich gebe das Kompliment zurück“ quittieren kann. Königlich auch der Herr, der sich im Vorfeld zur Teilnahme bereit erklärte und diese mit einem medeenhaften „Das war der größte Fehler meines Lebens!“ zurückzog. Nun, die Probleme des guten Mannes möchte man haben.

Aber viel interessanter als die Befragten sind die Interviewer, die Telefonisten; nennen wir sie der Einfachheit halber Töffler. Da tun sich schon sehr eigene Gattungen auf, die eine nähere Erforschung der bislang im Verborgenen blühenden Spezies als durchaus lohnend erscheinen lassen.

Dazu muss man zwischen dem Ur- und dem Außentöffler unterscheiden:

Urtöffler wurden in den Büroboxen künstlich erzeugt. Als Zutaten dienten hierzu aller Wahrscheinlichkeit nach allerhand aus der grauen Auslegware, DNA-Material aus dem Gestühl und hinzu kommend Bakterielles von Türklinken und WCs. Die Bakterien beschleunigen den Prozess des Wachstums, machen den Urtöffler allerdings auch sehr anfällig für jedweden Außeneinfluss. Sitzt er außerhalb seiner Geruchs-Komfortzone an einem offenen Fenster, geht er sofort ein. Er löst sich in Staub auf und dient als Grundmaterial für den nächsten Töffel. Da es um seine Konsistenz und Lebenserwartung nicht weit bestellt ist, muss man doch immer wieder auf die strapazierbareren Außentöffler zurückgreifen.

Zu denen zähle unter Anderem ich. Und viele, viele Andere, deren Jagd- und Balzverhalten Raum für großangelegte Feldforschung bietet.

Da gibt es beispielsweise den Kafföötöffel. Er ist en cirka 2 Meter hohes Exemplar, das schon ordentlich Laub abgeworfen hat und durch das täglich, seiner Hautbeschaffung nach zu urteilen, mehrere Gallonen Wein fließen. Das Kafföötöffel telefoniert normalweise gar nicht, sondern ist, die Zeit zwischen seinen Rauchpausen füllend, in der Kaffeeküche vorzufinden, wo es kumpelige Ratschläge erteilt und oftmals den Ruf „Ich bin nur zur Orientierung hier“ ausstößt. Ein seltsames Exemplar, Einsiedler, das durch den wiegenden Gang einer in die Jahre gekommenen Giraffe bezaubert.

Dann gibt es den ADHS-Töffel, der seine Kundschaft anbellt und im Stakkato Sätze wie „Wann machen Sie Körperpflege?“ in die unschuldigen Leitungen torpediert. Dem ADHS-Töffel sollte man sich mit äußerster Vorsicht nähern – es besteht Grund zu der Annahme, dass es beißt.

In direkter Verwandtschaft zu ihm steht der Tourette-Töffel. Der gestikuliert während seiner Befragungen wild, zeigt Hitlergruß und Stinkefinger und tut so seiner generellen Missachtung gegenüber den fremden Stimmen kund, von denen er wahrscheinlich glaubt, sie wollten sich in seinem Hirn einnisten.

Eine Unterart von Tourette und ADHS ist der Mobbing-Töffel – ein Weibchen, das sich generell unterfordert, provoziert und diskriminiert fühlt. Diese Töffeline hat vor lauter Lebensfrustballung bereits 90% ihrer Haare gelassen. Sie besticht durch ansteckendes Grau und konsequente Freudlosigkeit, was man ihrem nachtigallig zwitschernden Gesang am Headset jedoch kein bisschen anmerkt. Sie wird unter den Gesamttöfflern allgemein als „das arme Ding“ gehandelt.

Besonders verbreitet sind die Patent-Töffler, die sich mit den Interviewten verschwören und bis zum Anschlag in jene Organe kriechen, die der liebe Gott eigentlich fürs Koten vorgesehen hat.

Ich persönlich habe noch Impfschutz, spüre aber erste Symptome vom Patenttöffel mit Sexy-Voice-Syndrom. Ich schreibe diese Zeilen… noch… unter Vollbesitz meiner… geistigen… Kräfte…? Töffel Ahoi!