Manchmal denkt man ja an die Grausamkeit des bevorstehenden Alters. Also, nicht des normalen Alterns, da haben wir ja nun täglich mit zu tun. Sondern des so richtig, richtig Altseins. Um da einen moderigen Vorgeschmack zu bekommen, muss man sich einfach ein paar Tage lang ins lineare Fernsehen der Öffentlich-Rechtlichen vertiefen und sich, wie dereinst Galileo Galilei, die Instrumente zeigen lassen.

Was wird sein, wenn wir nicht mehr in der Lage sind, auf Netflix, Sky oder Amazon auszuweichen? Kann ja die verschiedensten Gründe zu haben – wir sind gelähmt, von der Gnade der Pfleger und Zimmergenossen abhängig, zu blöde, um die unterschiedlichen Fernsteuerungen auf die Reihe zu kriegen, dabei zu blind, um zu lesen, kein Internetanschluss vorhanden, usf.

Auf diesen Tiefpunkt warten sie, die Redaktionen von ARD und ZDF; für diese Perversion der Altersversorgung drücken wir vorab monatlich17,60 € ab – demnächst sollen es mehr als Zwanzig werden. Und im Gegenzug versorgen sie uns mit „Programmen“, die so gruftig sind, dass wir alles dafür tun, geistig noch so fit zu bleiben, um nie, nie, niemals in die desaströs vorzeitige Horizontale zu geraten, ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein; sie ist furchterregender als das Grab.

In einem ritterlich masochistischen Selbstversuch habe ich mich einige Tage ins Gedärm der ÖR begeben, um zu wissen, was mir blüht.

Wo soll man anfangen?

Beim zärtlich als MOMA liebkosten Morgenmagazin, das die beiden Anstalten, die doch ansonsten auf die überlebensnotwendige Autonomie voneinander (wieso eigentlich?) drängen, gemeinsam gestalten – im Wochentakt wechselnd. In dreieinhalb Stunden wird dem Zuseher zwischen 5:30 Uhr und 9:00 Uhr in der Frühe ein munterer Kessel Buntes serviert, wo die Berichterstattungen im halbstündigen Takt wiederholt werden und der eine oder andere Hinterbänkler seine Haltung zu Irgendwas zum Besten geben darf, was ihn selbst wohl noch weniger interessiert als das geneigte Publikum.

Eine zentrale Rolle spielt dabei die Wettervorhersage, die der jeweils diensthabende Meteorologen-Clown wie ein verrutschtes Laien-Comedyprogramm einherstümpert; vornehmlich von der Zugspitze, dem Harz oder dem Dach irgendeines Senderhauses aus. That’s Entertainment! Vorbei die Zeiten der schnöden Karten mit Sonnensymbolen und Windrichtungspfeilen. Der Wetterfrosch ist unterdes eine kolossale Ulknudel, und er erklärt Höhen und Tiefen und bunte Graphiken, als seien seine Prophezeiungen eben NICHT das schnöde Kaffeesatzlesen, das sie in einem Radius ab 24 Stunden aufwärts nun einmal sind.

Beim MOMA – das die Frechheit besitzt, sein Kürzel heiter schmunzelnd dem „Museum of Modern Art“ entliehen zu haben – ist das einzig Überraschende, dass die ARD-Gülle mit ihrem Moderatorenheer das ähnlich simple ZDF sogar noch unterbietet. Hat „Mit dem Zweiten sieht man besser“ noch einen Stuhlgang mäßiger Konsistenz, verflüssigt „Das Erste“ den Morgengruß in Montezumas Rache.

Eigentlich ist der Tag nach diesem Einschläferungsmanöver bereits gelaufen. Aber jetzt geht es erst richtig los!

Ab 9:00 Uhr versendet die ARD, unter Bemühung teuer Phantasie-begabter Namensberater, „Live ab Neun“. Parallel verstrahlt das Zweite „Volle Kanne“ (ehedem „Volle Kanne, Susanne“ – der Titel war und ist wohl dem überhöhten Alkoholkonsum des verantwortlichen Redakteurs geschuldet). Beide gefährlich geladenen Magazine sind – na, was wohl? – ein munterer Kessel Buntes.

Während uns die ARD ein unerwünschtes Wiedersehen mit vom Elefantenfriedhof des TV aufgesammelten Moderatoren wie Isabel Varel und Biggi Lechtenbrink beschert, belästigt einen der dauergrinsende Oli Mommsen (Schlaganfall? Schuss ins Knie?) – dessen Prominenz in einer Affäre mit Sarah Dingens wurzelt – im ZDF mit Nichtigkeiten aus Boulevard und Kräuterküche, begleitet von einem übermüdeten Talkgast und einem schockblondierten Fernsehkoch, der mit schnarrender Stimme was angeblich Leckeres brutzelt und dabei über Nährwerte und Kalorien doziert. Denn – aufgepasst! – nicht nur der Wettervorherseher ist unterdes Alleinunterhalter, auch die ordinäre Herdschubse.

Es folgt, was folgen muss: Wiederholungen alter Krimiserien und Quizshows. Wer sich zuvor schon nach derlei sehnte, brauchte nur die, übrigens auch existentiell notwendigen, Dritten zu bemühen, die in Endlosschleife die Soaps des Vortags oder die schlechteste Serie aller Zeiten abspulen – „In aller Freundschaft“, wo wachkomatöse Textaufsager hirntote Silben nuscheln und sich nicht einmal die Mühe geben, auch nur so zu tun, als würden sie etwas vom Schauspielberuf verstehen.

Nach den High-Noon-Nachrichten laufen „Das ARD-Buffet“ und die „Drehscheibe Deutschland“. Beide Formate sind – na, wer will einen Tipp abgeben? – Kessel Buntes. Das, mit Verlaub, doch sehr abgestandene Buffet des Ersten geht dabei spannenden Fragen nach, wie man Blutdruck misst, im Urlaub Geld spart und sein Sparbuch liest (von oben links nach unten rechts?), dieweil entfesselte Floristen gar entsetzliche Deko-Fiebereien in die unschuldige Welt posaunen und ein unterhaltsamer Fernsehkoch, Kalorien und Nährwerte zählend, den ganz offensichtlich schwerst Valium-medikamentierten Präsentatoren ihren Mittagstisch brutzelt, den diese abschließend mit „Hm, lecker!“ oder „O, wie köstlich!“ verspeisen. Nichts auf dieser Erde hat größeren Schauwert, als fremde Wesen bei der Fütterung zu betrachten – unvermittelt erinnert man seufzend seine Kindheitsbesuche im Zoo, die allerdings viel lustiger waren, weil mal ein Elefant gekackt oder eine Giraffe geschifft hat. Freilich wartet man auf derlei Magic Moments in der aus Baden-Baden gesendeten Gammelbude vergeblich.

Während parallel die Dritten alte Quizshows, Serien und Sendungen des Vorabends verballern, schafft es die „Drehscheibe“ auf perfide Weise, die Banalität des verschimmelten ARD-Buffets an Bedeutungslosigkeit zu unterbieten. Und dies allein durch den groben Kunstgriff der unsagbaren Langweile. Lieblos werden da 45 Minuten aus Fragmenten bereits im MOMA oder „Länderspiegel“ ausgestrahlter Beiträge zusammengestückelt und mit ekelhaft lapidaren „Reportagen“ kombiniert, wo vorgeblich ambitionierte Investigativ-Dilettanten in wahllose Orte Deutschlands deportiert werden, um dort, wie Drücker einer Abonnements-Kolonne, arglosen Passanten ihre „spannenden Geschichten“ zu entlocken, die eine ähnliche Relevanz haben wie die Frage nach dem Leib, in dem aktuell eine der befruchteten Eizellen Kim Kardashians reift. Diese Berichte aus Egalistan werden maximal getoppt, wenn mal wieder ein sensationsgieriges Team mit der Autobahnpolizei unterwegs ist oder aufregende Berufe wie den des Gulli-Instandhalters in auf mindestens zehn Minuten aufgeblähten Features erklärt. Wenigstens braucht man sich da nicht mehr zwei Finger in den Hals zu stecken, um Platz für die nächste Mahlzeit zu schaffen – der Appetit ist ohnedies vergangen.

Zwischen 13:00 und 14:00 Uhr folgt das MIMA. Aufgefallen? MOMA – MIMA – Hihihi. Ja, Humor haben sie, die Herrschaften vom ÖR – so einen verschwitzten Evergreen-Witz, wie er schon in den 1960’ern und 70’ern überschaubar begeisterte. MIMA steht dabei übrigens nicht abkürzend für einen neu generierten, multiresistenten Keim (obwohl…), sondern für das „Mittagsmagazin“, das die beiden unbedingt zu trennenden Sendeanstalten aus Kostengründen gemeinsam gestalten. (Wer sich jetzt fragt, ob’s nicht irgendwie preisgünstiger wäre, wenn die beiden alles… also, den ganzen Bullshit…? O, schweiget, Ihr Ungläubigen!).

Das MIMA – tut mir jetzt fast Leid – ist ein Kessel Buntes aus Politik, Sport und Gesellschaft. Da kommen dann Berichte, die liefen vorher im MOMA, in der Tagesschau oder wahlweise im Länderspiegel.

Der denkende Mensch erinnert sich jetzt an den Film „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“ und sehnt sich für sich selbst, im Fall des Falles, selbigen herbei. Doch Redakteure sind grausam – ihre Wirkungsstätten sind nicht bloße Folterkammern, sondern finstere Versuchslabore, wo intellektuelle Biowaffen entwickelt und freigesetzt werden. Kurz: Es kommt noch dicker.

Das Erste versorgt uns mit „Rote Rosen“ und „Sturm der Liebe“ – Geistesgeschlechtskrankheiten aus krötigen Katakomben, gesponnen von komatösen Serienmachern, die sich an Orten befinden, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist. Und besetzt aus einem Fundus von Kreaturen, die stümperhaft stammelnd durch Storywirrungen taumeln, die nur aus einem Mindfuck zwischen der Gartenlaube und Beate Uhse entsprungen sein können. Und dies, als sei die talentneutral abartige Vorstellung der Unbegabten nicht schon grausam genug, in einem Tempo wie Schnecken Tango tanzen.

Wem diese mentale Magendarmgrippe nicht ausreicht, der schalte auf das Zweite. Dort nämlich wird die „Küchenschlacht“ zelebriert – mit Herdschubsen, den bekanntlich von Natur aus begnadetsten Entertainern, als Mediatoren, die fanatisierte Hobbyköche beim Kredenzen von Nahrung domptieren. Brot und Spiele! Abschließend bewertet irgendein „Sternekoch“ (diese Himmelskörper werden wohl indes auf rumänischen Wochenmärkten im Tausch für zwei Ziegen feilgeboten) und entscheidet, wer siegt oder fliegt.

Langsam erwächst im Zuschauer angesichts der Schwemme von medial umhersteppenden Rezeptabsolventen die Frage, ob beim Italiener um die Ecke wirklich noch der Maestro aufwärmt, oder dieser ebenfalls schon in irgendeinem Studio grillt?

Doch damit nicht genug: Den Ofenanheizern genügt es nicht mehr, nur noch Essbares herzurichten – sie werden musikalisch! Wie der unsägliche Kolja Kleeberg beispielsweise, der mit enger Stimme Trommelfell-zersetzende Minnen quengelt. Oder Nelson Müller, der mit seinen Mohrenwitzchen den Rassismus („Hühü“) leidlich salonfähig macht und, um keine Peinlichkeit verlegen, zu jedem unpassenden Moment seine Klampfe auspackt („zufällig dabei!“) und damit zumindest das Klischee widerlegt, dass jeder Schwarze singen kann.

Auf die Kantine folgt der Ramsch. Das bindende Glied (nun soll noch jemand den Jungs vom Lerchenberg unterstellen, sie würden sich keine Gedanken machen) ist Horst Lichter. Für alle, die nicht im Thema stehen: Der Lichterhorst ist ein Mann mit Zwirbelbart, runder Brille, spricht Kölsch und ist deshalb per Se lustig. Wenn er beschließt, besonders komisch zu sein, dann nähert er sich dem Fischauge der Kamera und schielt. Dann muss man schreien vor Lachen. Wer das nicht tut, der hat kein Herz und schon gar keinen Humor – zumindest nicht den, der uns Deutsche bereits im Dritten Reich beflügelte, da der göttliche Heinz Rühmann Gleiches tat. Oder später der schimmelige Didi und der zappelige Otto – herrlich, diese Grimassen, zum Wegsch(m)eißen. Und sie rühren von einem übermenschlichen Können her; ein Normalsterblicher kriegt das nicht auf die Reihe. Königlich!

Wie kamen wir drauf? Ach ja! HORST LICHTER, alter Kandelaber-Komiker. Dereinst versuchte sich der flatulierend flachsende Filou als TV-Koch, wobei er versagte, weil ihm selbst die hartgekochten Eier (also nicht die seinen) anbrannten, aber er sich über mehrere Jahre hinwegrettete, weil er – Na? Der Kandidat kriegt 100 Punkte! –so irre komisch ist! Nicht komisch im Sinne von „merkwürdig“ (geisteskrank?), sondern lustig. Quasi die Ur-Ulknudel. Als jedoch scheinbar alle Lebensmittel in Generalstreik traten, um nicht mehr von ihm verwurstet zu werden, erdachte sich die Demenzgruppe „Vergissmeinnicht“ der ZDF-Unterhaltungsredaktion (gepudert vom unermüdlichen Markus Lanz, der seinen Kumpel total genial findet, was einen bei Betrachtung seiner Person auch nicht weiter wundert) ein neues Format für die Nobelpreis-verdächtige Schieleule: BARES FÜR RARES. Dort verhökert der schrullige Schrotthändler nun Tinnef an fünf beknackte Trödelhändler, die in einer verpennten Auktion (die denselben Spannungsbogen aufweist wie eine Kölner Tatort-Folge), was dann auf ZDF-NEO (ein wirklich dringender Kanal, der sich primär durch Euthanasie-evozierende Repetitionen von MONK, INSPECTOR BARNABY, etc. definiert) täglich mehrere Stunden auf- und abläuft. Ein hirntechnischer Organhandel.

Daneben schickt das Erste greise Herrenmenschen auf Klimakillern in die Südsee. Die Weißen werden bedient und verköstigt, während glückliche Schlitzaugen sich im Schiffsbauch fröhlich dem Mangeln und Stärken ihrer Schmutzwäsche widmen. Abgehalfterte Schlagerbarden besorgen das bunte Bordprogramm, und bei den Ausflügen geht man mit den bunt kostümierten Schokoladenmenschen auf Tuchfühlung. Die Kolonialzeit hatte was für sich und steckt noch in unserer DNA – jedenfalls, wenn es nach den Öffentlich-Ranzigen geht (Das Traumschiff, Klinik unter Palmen, etc.).

Das „Mit dem Zweiten sieht man besser“ (bitte ereile mich, grauer Star!) bringt nun die Wiederholungen von Wiederholungen kreuzspannender Krimiserien („Wo waren Sie zum Tatzeitpunkt?“). Es handelt sich um SOKOs. An einem teuflischen Tag in den 1970’ern hatte nämlich ein pathologischer Serientäter, damals auch als Metastase die Geschwulst der ZDF-Unterhaltungsredaktion verpestend, die menschenverachtende Idee, zum ohnedies wüsten Geschreibsel Herbert Reineckers (der heute vor das Gericht in Den Haag gestellt würde) und dessen „Kommissar“ oder „Derrick“ eine weitere Geistes-Guillotine abzusetzen. SOKO MÜNCHEN hieß das Gift, das sich nach über vierzig Jahren als Seweso der Fernsehindustrie herausstellen sollte. Denn ähnlich wie inzwischen jeder Klodeckel der Republik seinen Tatort öffnet, hat ein jedes gottvergessene Kuhdorf seine SOKO. Rosenheim, Wismar, Wien, Kitzbühel, Dinslaken, Buxtehude… das Böse ist immer und überall, und sein Herz schlägt im unerbittlichen Leichenberg des ZDF, wo rinderwahnsinnige Redakteure tatsächlich nicht nach schon zwei Minuten wissen (dies sei ihrem Analphabetismus geschuldet) wer der „Möööörder“ ist, und die deshalb auf das lahmarschige Whodunnit-Muster bestehen, wobei man ihnen leider unterstellen muss, dass sie es selbst nach dem Abspann noch nicht geblickt haben (Alkohol? Drogen? Syphilitischer Schwachsinn?).

Einerlei.

In den dringendst nötigen Dritten laufen derweil Nachmittagssendungen, die – wer hat noch nicht, wer will noch mal? – in einem Kessel Buntes Rat geben, Lebenstipps erteilen, Beiträge wiederholen, Kalorien zählen, Nährwerte, Blutdruck, Herzlungenmaschine, Wetterfühligkeit…

Dem Defibrillator sei Dank erreicht man dennoch die 17:00 Uhr-Nachrichten.

Darauf folgt, erbarmungslos wie der Verfall der Jugend, der Tea-Time-Slot, den böse Zungen als Boulevard-Slut beschimpfen.

Während die ARD diese mörderische Dreiviertelstunde in einem Magazin namens „Brisant“ versenkt, das, im Gegensatz zu seinem Titelversprechen, absolut nichts unter den Nägeln Brennendes zu bieten hat, versendet das ZDF exakt dasselbe, allerdings unterteilt in zwei Formate, „Hallo Deutschland“ und „Leute Heute“. Brisant Teil 1 und „Hallo Deutschland“ bieten einen Kessel Buntes aus Gesellschaft und Menschelndem – das Meiste haben wir bereits in MOMA, MIMA, Drehscheibe und Buffet bezeugt, einiges im Länderspiegel; dazu gibt es noch einen betroffenen Druck auf die Tränendrüse. Promi-Brisant und Leute Heute versorgen uns mit Top News aus der Welt der Prominenten, die trotz ihrer zumeist erbärmlich zerschnittenen Hackfleischfressen als „die Schönen und Reichen“ beschrieben werden, und Wissenswertem von den Royals – also Willi und seiner Kate, Harry und seiner Meghan, Haakon und seiner Mette-Marit; eben alles Aktuelle vom räudigen Rampenlicht-Rindermarkt. Durch diese verkrüppelten Formate führen uns künstlich wangenbeknochte Frauenfragmente, gegen die jede ordinäre Barbie-Puppe wie eine eingefleischte Feministin einherstöckelt, und deren automatisches Umstellen von „betroffen“ auf „heiter“ eine jede bengalische Hafenhure bei Kundenkontakt vor Neid erblassen lässt.

Auf ARD wird hernach gequizzt, dem Zweiten geSOKOtet, und irgendwann beginnt das Abendprogramm, das es nun wirklich in sich hat.

Die Beschreibung dessen würde ein Buch füllen – ach Quatsch, eine misanthropische Enzyklopädie – und ich überlege mir ernsthaft, sie zu schreiben, fürchte mich allerdings vor den Risiken und Nebenwirkungen der Recherche. Interessierte Verleger mögen sich an dieser Stelle melden, jedoch einen fetten Umschlag Schmerzensgeld in petto halten.

Ich biete an dieser Stelle bloß einen kurzen Rundflug in Form einer Shitparade an, die selbst dem gestähltesten Vielflieger eine veritable Höhenangst ins Knochenmarkt jagen dürfte.

PLATZ EINS: Krimis, im Volksmund liebevoll als „Krümüs“ verharmlost. Der Montagskrimi, der Mittwochskrimi, der Tatort, das 110, der Kommissar und das Meer, Matula, der Kriminalist, die Chefin – all das „Wo waren Sie zur Tatzeit?“-Gedönse. Erschwerend hinzu kommen Inspector Barnaby, die Skandinavien-Krimis, alles von dem unterdes gnädig verblichenen Mankell, Donna Leon, undundund… Stoffe also, die auf Hospizen ausgestrahlt werden, um den Totgeweihten ein schnelleres Ende zu bescheren. Die gröbste Unverschämtheit: Der Barcelona-Krimi, der Istanbul-Krimi, der Prag-Krimi, der Lissabon-Krimi. In jenen gestörten Machwerken werden auf Gebührenkosten legasthenische Textaufsager, normalerweise aus sogenannten „Schauspielerdynastien“ abgeerntet, auf Urlaubsziele losgelassen, wo sie, in guter alter 1960’er-Edgar-Wallace-Manier, so tun, als wären sie Eingeborene, die wirklich irrsinnig knifflige Fälle lösen als Alibi dafür, dass sie sich mit den mitreisenden Redakteuren Eier-schaukelnd die Sonne auf den Pelz brennen lassen. Der Zynismus dieser Veranstaltungen ist lediglich mit der autistischen Ignoranz ihrer Produzenten zu erklären, die sich noch nie auch nur den geringsten Scheißdreck darum geschert haben, welche Ader sie anzapfen, um ihre überhöhten Gagen in diversen Puffs zu verjubeln. Kinderstube ist so eine Sache – den wenigsten wurde sie zuteil.

PLATZ ZWEI: Herzschmerz und Romantic-Comedys. Der Frauenfilm am Freitag, das Gefühls-„Kino“ am Sonntag, gerne auch der Mittwoch und der Donnerstag. Alleinstehende, „starke“ Frauen finden endlich die dringend notwendig männliche Schulter, die sie vorm Untergangs-evozierenden Straucheln bewahrt. Themen wie Trennung und Scheidung werden dabei großzügig ausgespart – seit den 1950’ern haben sich die Moralparadigmen nicht verändert; man muss ja was haben, an das man sich halten kann, es war schon bei Adolf Nazi so. Die gebärunwillige Frau wird zumeist eines Besseren belehrt, häufig auch durch die Begegnung mit bedürftigen Kakaokindern – und ein Weib ohne Nachwuchs ist ja auch ein unbestellter Acker, irgendwie. Sehr oft dienen diesen heiter-besinnlichen „Geschichten, die das Leben schreibt“ exotische Kulissen, denn die Mittelmaß-Mimen und die sie betreuenden Redakteure wollen ja was erleben fürs sauer verdiente Salär. Und die Schlitzaugen, Neger und wie auch immer gearteten Untermenschen bringen den Zivilisatoren über ihre hinreißende Ursprünglichkeit auch viel über Ursprungswerte bei. Der Afrikaner beispielsweise hat ja ein ganz anderes Verhältnis zur Zeit, da ist er viel gelassener, und der Gelbe entzündet stets Räucherstäbchen vor vielarmigen Gottheiten und meditiert, was gerne in unvorhergesehenen (physischen wie psychischen) Wunderheilungen gipfelt. Besonders beliebt sind in diesem Zusammenhang motivationslose Tochter-Vater-Versöhnungen („Ach, Papa, Du hattest ja so Recht!“).

PLATZ DREI: Muntere Serien. Zu nennen sind Weißkittel-Trash wie „Bettys Diagnose“ oder „In aller Freundschaft“, beides Formate, die einer abscheulich schiefgelaufenen Therapie der Kreativen zu verdanken sind – oder eben hirntoten Autoren, in deren Nulllinien bekiffte Redakteure Sätze hineininterpretieren, die sie ihren heroinabhängigen Assistentinnen in die Feder diktieren. Eine Extra-Nennung verdient „Um Himmels Willen“, wo sich eine Handvoll entfesselter Pinguine, von der katholischen Kirche zur Schoßesdürre verurteilt, mit einem Korsakow-Bürgermeister, bemitleidenswert insinuiert von dem unterdes leidlich debilen Fritz „Harry, hol den Wagen“ Wepper, um Nichtigkeiten kabbeln. Der Verdacht setzt sich fest, dass die vertrockneten Jungfrauen derart inbrünstig um den Erhalt ihrer Glaubensstätte kämpfen, damit niemand die in ihren Rosenbeeten verscharrten Föten freilegt. Oder „Tierärztin Doktor Mertens“, wo eine bemerkenswert miese Mimin namens Elisabeth Lanz Großwild gegen Magengeschwüre behandelt.

PLATZ VIER: Frage- und Antwortspiele. Da kopiert das ZDF mit hemmungsloser Verve beispielsweise, seine orange Allzweckwaffe Johannes Baptist Kerner nutzend, das ARD-Format „Wer weiß denn so was?“ unter dem Titel „Da kommst Du nie drauf!“. Oder Moderationsmaschine Jörg Pilawa behauptet mit Hitlerschem Größenwahn: „Ich weiß alles!“. Hier wird mit immergleichen Fragen unnützes Wissen aus angebrannten Ecken geschrubbt und vornehmlich semi-prominenten Kandidaten auf die ausgelutschten Semmeln geschmiert, die sich diese, durch das Rotlicht der Kamera in hochnotpeinliche Hysterie versetzt, in die leidlich verbrauchten Visagen schmieren, als sei die gute alte Tortenschlacht immer noch der Komik höchste Kür.

PLATZ FÜNF: Volksmusik. Florian Silbersteiß, unterdes zum Traumschiff-Kapitän patentiert, definiert, als sei er bei Markus Lanz in die Schule gegangen, den Begriff der Arschkriechers neu und präsentiert in auf endlose drei Stunden zerdehnten Shows ohne Schauwert seine Kumpels von der Schweineschmalzfront. Gerne dabei Semino Rossi, die personifizierte Ludenlocke, die jeder totaloperierten Greisin immer noch Feuchtigkeit entlockt, der Andrea Berg und die weltberühmteste russische Rucksackdeutsche Helene Fischer, dazu Kasselruther Gevögel, demente Duos und Trios und Floris warme Brüder, mit denen er sich zu dem flotten Dreier Voxx-Club zusammenschloss. Es gibt da noch viele andere Geisterbahn-Genossen, deren Namen ich mir aus purem Selbstschutz nicht merken will – manchmal erliegt auch der vernünftige Mensch dem Aberglauben, dass das Abspeichern diverser Schädlinge zu Hirnkrebs führt. Der Silberscheiße-Notstand des Ersten verpilzt auch den Samstag des Zweiten – da verübt Carmen „Gorillas im“ Nebel ähnliche Verbrechen mit denselben Tätern. Und noch dazu hat Edel-Escort Fischer einen Exklusiv-Vertrag mit dem sonderlichen Sender, wo sie jährlich eine mehrstündige Dauerwerbe-Show absondert, im Zuge derer sie, sich in Reizwäsche vom Bühnenhimmel in die Arme muskulöser Schwuchteln abseilend, ihre neuen Albumsergüsse an den Mann bringt. Wer kotzt noch nicht, wer will noch nochmal?

PLATZ SECHS: Laberterror. Das Erste hat es wieder eingeführt, das Dauergequatsche über Gott und die Welt; den – na? – Kessel Buntes über Politik und Gesellschaft.  Den Reigen eröffnet die traditionell unvorbereitete, aber – mutig, mutig! – offen lesbische Anne Will. Wobei sie auf bewundernswerte Weise das Klischee widerlegt, dass „lesbisch“ irgendwas mit politisch zu tun hat. Telegen gebotoxt stammelt sie sich durch Runden, wo Politiker die Sendezeit zur Verkotung ihrer weidlich bekannten Parolen nutzen. Zumindest darf sie sich auf die Regenbohnenfahne schreiben, maßgeblich zum Erfolg der AfD beigetragen zu haben, deren Vertretern sie bislang nie etwas Erwähnenswertes entgegenzusetzen hatte. Tipp: Informiert die Chefin etwas früher als fünf Minuten vor Sendebeginn, wer kommt und worum es geht. Montags folgt Frank „Spaßberg“ Plasberg, der in seltsam deplatzierter Eitelkeit auch keine Ahnung hat, worum es eigentlich geht, und jedes Mal auf beinahe bemitleidenswert stümperhafte Art und Weise an seinen gestanzte Argumente rülpsenden Gästen scheitert. Plasberg ist mit der Moderatorin und Unterhaltungsautorin Anne Gesthuysen liiert, mit der er regelmäßig in der Pilawa-Zeitverschwendung „Paarduell“ auftritt. Übrigens verfilmt die ARD auch gern Gesthuysens Dreigroschenromane. Es wäre zumindest ein humanitärer Ansatz, dem umtriebigen Paar die Einnahmequelle „Hart aber Fair“ zu streichen. Aber wir wollen nicht kleinkariert sein – irgendwohin müssen ja die sieben Milliarden Gebühren fließen, die wir unseren Bildungsanstalten ins Poloch pusten… Dienstags hat man nun den Programmschlot für die erfolgreichen Talkshows der Dritten aufgemacht, was deren Existenz, mit Verlaub, noch sinnloser macht. Da kommen die NDR-Talkshow, der Kölner Treff, Drei nach Neun und das gleich Frankensteins Monster neu erschaffene Format „Hier spricht Berlin“. Alle vier Runden sind ein Kessel Buntes, wo „Promis“ ihre neuen Bücher, Filme und Alben vorstellen. Es ist ein schrecklicher Dreck, aber der RBB hat es wieder einmal geschafft, die Mitbewerber an provinzieller Dummheit zu unterbieten. Derlei auf Geriatrie-Stationen den Wehrlosen zu präsentieren, würde Klagewellen zur Folge haben. Dem verbalen Misthaufen setzt am Mittwoch „Menschen bei Maischberger“ die Tinnef-Krone auf. Denn Maischberger ist ein attraktives, sympathisches Mädchen, aber wenn es um die Vorbereitungsverteilung geht, schreit auch sie niemals „Hier!“, und man darf ihr nicht unterstellen, die hellste Kerze auf der Torte zu sein. Verspätet kriecht Markus Lanz auf dem Konkurrenzsender in jedes sich ihm bietende Rektum, und man muss ihm zumindest den Respekt zollen, dass ihm kein Loch zu eng ist, bis zum Hüftansatz einzudringen.

Klar gibt es Ausnahmen. Babylon Berlin (okay, von Sky gemacht, also ohne Redakteur-Input), den Welke, den Böhmermann, den… Böhmermann, den… …. Böhmermann.

But, never forget: Bezahlen tun den Bullshit wir. Aber wir machen es ja gerne. Redakteure müssen ja auch von was leben.

Oder?