Dass im deutschen Fernsehen seit cirka 30 Jahren die beliebteste Pflanze der absteigende Ast ist, das ist hinlänglich bekannt.

Zu Zeiten des Sendeschlusses wurden die Gäste noch freundlich gesiezt, und es zoteten Herr Frankenfeld und Herr Kulenkampff, Rudi Carrell belästigte gerne seine weibliche Kundschaft, und Harald Juhnke war bisweilen so blau, dass die Samstagabendshow „Musik ist Trumpf“  abgesagt werden musste.

Die Bundestagsdebatten wurden in Schwarzweiß übertragen, und saftig fielen Herbert Wehner, Schmidt und Kohl übereinander her. Das muffelige Opa-TV hatte schon seinen speziellen Charme.

Dann kamen die Privaten, und Helmut Thoma erfand die Begriffe „Quote“ und „werberelevantes Publikum“. Dann begannen alle nervös, mit den Hufen zu scharren, und mit wucherndem Wahnsinn wurde eine neue „Fernsehkultur“ erschaffen, die wesentlich zur gesellschaftlichen Verrohung der letzten Jahrzehnte beitrug.

Ich wage zu behaupten, dass der Niedergang des TV viel mehr die allgemeine Verblödung verschuldet als, wie gerne behauptet, das Internet. Denn zu dessen Benutzung muss man wenigstens des Lesens und Schreibens mächtig sein. Der Zuschauer ist passiv, das Programm der Täter. So einfach ist das, und es gilt ebenso für die Öffentlichrechtlichen, die sich skandalöserweise über Steuergelder ihre aufgeblähten Verwaltungsapparate und meist miesen Produktionen gönnen, wie auch die Privaten, die hemmungslos vorführen, entwürdigen und entmenschlichen.

Ein besonders putziges Beispiel ist da PRO.7, das noch vor einigen Jahren als Spielfilmkanal gar nicht unsympathische Züge aufwies, unterdes sich als Fick- und Fummelsender in die untersten Ligaränge begibt. Liest man dann auch noch die aufgeblasenen Saisonankündigungen der jeweiligen Programmgauleiter, dann weiß man spätestens, dass diese, sollte jemals solcher vorhanden gewesen sein, ihren Verstand völlig verloren haben.

Bei allem geduldigen Entsetzen über die jeweiligen Sender gibt es einen, der sich aller Kritik enthebt, und der nicht einmal der Spucke würdig ist, die man den Verantwortlichen sehr gerne ins Gesicht befördern möchte: RTL2.

Es war ein langer Prozess für den Autor, ob er sich noch einmal über dieses verächtliche Unfernsehen äußern sollte, für das der Begriff „unterirdisch“ noch viel zu löblich ist. Nach mehrmaligem Zappen ist es mir ein Bedürfnis. Wie stellen sich also die Zombies, die für diese mediale Gülle verantwortlich zeichnen, einen gepflegten Fernsehabend vor?

In „Die Wollnys“ wird eine verelendete Großfamilie mit einer tyrannischen Übermutti und abenteuerlich getauftem Nachwuchs vorgeführt. Haha, die sind ja so primitiv! In „Die Geißens“ dürfen wir ein hirntotes Millionärsehepaar bewundern, das sich plakativ in seinem geschmacklosen Neureichtum sonnt und jetzt auch noch für Joghurts wirbt und auf der „Wetten dass…“-Couch Platz nimmt. Das ist so namenlos irre, dass einem die Worte fehlen.

Hinzu kommen „Die Wollersheims“, bei denen ein abgetakelter Puffbesitzer und seine Silikon-getunte Gattin, die wahrscheinlich in einem seiner Geschäfte tätig war, auf ihrer Flucht vor den Behörden begleitet werden. In Antisendungen, die frech den Begriff „Die Reportage“ missbrauchen, dürfen wir allerhand Gesocks in Swingerclubs, Hurenhäusern und großkotzige Luden bewundern. Bei „besondere Menschen“ (oder so ähnlich nennt sich dann der Schrott) kann man Behinderte verlachen. Super.

Und in nicht zu unterbietenden „Reality-Soaps“ wie „Berlin Tag und Nacht“ oder „Köln 4711“ produzieren sich hirntote Laien als Schauspieler, als sei dies ein Beruf, den man nicht erlernen muss. Na klar, jeder kann doch „schauspielern“! Wie jeder tote Hund ein Haus entwerfen und Statik errechnen kann. Kein Problem!

Verabschieden wir uns doch kollektiv vom gesunden Menschenverstand und betrachten nur noch verödete Geschlechtsteile, verformte Körper, gescheiterte Existenzen, und machen wir uns süffisant drüber lustig. Früher wurden „Elefantenmenschen“ schließlich auch auf Jahrmärkten in Käfigen dem Volke präsentiert, und zu den gesegneten „Brot und Spiele“-Zeiten haben sich zum allgemeinen Vergnügen die Kämpfer gegenseitig zerhackt oder es wurden aus Unterhaltungszwecken Menschen Raubtieren zum Fraß vorgesetzt, gekreuzigt und verbrannt.

Macht doch jede Menge Fun! Die dürften sich in die Hosen schiffen vor Vergnügen, die Jungs und Mädels von RTL2, wenn sie wieder mal eine gescheiterte Existenz oder eine seltene Verkrüppelung gefunden haben, die sie so richtig auswalzen können. Oder sie reisen nach Thailand und schauen im „Hotel Germania“ notgeilen Greisen bei der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten zu. Armutsprostitution – selten so gelacht.

Beschämend ist das, geradezu kriminell. Und jeder, der dabei spannt, ist nicht nur selber schuld – er macht sich zum Komplizen.

Und damit soll von dieser Seite aus das letzte Wort über RTL2 verloren sein: Eine Schande.


Der Beitrag erschien zuerst im Berliner Kurier