13.12.18

Wozu einen Blog einweihen, wenn man nicht mindestens die Weltherrschaft erlangen will? Oder eine ähnliche Krise lösen? Wenn man weder über mangelnde Bildung, eine kriminelle Vergangenheit, noch das richtige Alter verfügt, um sich als Influencer einzupilzen? Wozu also? Ein gescheiter Grund will mir nicht einfallen, also versuche ich es mit einer Lüge: Weil ich überzeugt bin, dass die Restwelt auf meine Dichtkunst dringend wartet, und dass ich sie so an den Mann bringen kann. Das war jetzt sexistisch. Natürlich: An den MannIn… nee, das Männ_in*… Das wird noch mit meinem Genderbeauftragten diskutiert, der sekündlich messerscharf prüft, dass ich die Grenzen der Korrektheit und des guten Geschmacks nie unterschreite. Also, ein Beispiel moderner Tiefenpoesie soll dieses Tagebuch entsiegeln. Zunächst dachte ich, im Zusammenhang mit meiner derzeitigen Badezimmersituation, an die deutsche Version von Mike Oldfields untötbarem „Shadow on the Wall!“ namens „Schimmel an der Wand!“, entschied mich dann jedoch für einen Rückzieher – es gibt Monumente von solch unfassbarer Schönheit, dass man sie nicht betatschen sollte. So will ich es wagen, ein bescheidenes Lied aus eigener Feder an diese Stelle zu pflanzen, eine humanistische Ode, die um Verständnis, Wärme und unbedingtes Miteinander wirbt. Ein paar zarte Verse, die ich, im Dämmer meines Klimakteriums, an all jene richte, die übervorteilt wurden, nie begriffen, und über die ein hinterträchtig gewobener Teppich aus Lügen und Unterstellungen ausgebreitet wurde – meine Volksfreunde von der AfD:

 

Für alle Vollidioten dieser Welt

Hab ich beim lieben Gott ein Lied bestellt

Ich sing’s bei  Silbersteiß und ESC

Es ist die Hymne auf die AfD

 

Wer AfD wählt, ist kein Schachgenie

Und er zählt auch nicht bis 3

Dabei hat er seine Mutti lieb

Und er treibt’s mit seinem Schwein

 

Schwein, das schmeckt ihm auch als Kotelett gut

Und als Schnitzel und als Wurst

Und wenn er die Schweinezunge kaut

Denkt er an seinen ersten Kuss

 

Wer AfD wählt, wäscht und pflegt sich nicht

Denn das ist ihm viel zu schwul

Und er weiß nicht, was Geschichte ist

Doch Adolf Hitler, der war cool

 

Wer nicht schreiben kann, wählt AfD

Denn so ein Kreuz, das setzt sich leicht

Besonders schön ist es mit Haken dran

Womit er Judengräber streicht

 

Wer AfD wählt, mag den Muslim nicht

Nicht den Bimbo, nicht den Jud’

Er erigiert zuvörderst, wenn er bricht

Denn was da rausquillt, schmeckt ihm gut

 

Auch wenn er zuschlägt, steht sein Minilurch

Und spuckt Sehnsuchtströpfchen aus

Wenn er geschimpft wird, dann packt ihn die Furcht

Weinend nimmt er dann Reißaus

 

Wer AfD wählt, dem ging’s immer schlecht

Das Schicksal war sein schlimmster Feind

In der Zone war es noch gerecht

Doch die wurde ja vereint

 

Wer AfD wählt, ist ein Opferlamm

Und er kann auch nichts dafür

RTL 2, das ist sein Hauptprogramm

Selbst wenn er nicht mal das kapiert

 

Wer AfD wählt, der lernt mitmarschiern

Denn das ist ihm Spiel und Sport

Dazu grölt er gern das Deutschlandlied

Und versteht davon kein Wort

 

Jeden Tag macht er ’nen Trauermarsch

Und er furzt dazu im Takt

Sein Gesichtchen ähnelt seinem Arsch

Grad wenn er sich ins Höschen kackt

 

Er scheißt gern auch mit Tattoos sich voll

Mit Runen, Rauten und Fraktur

Muttis Name macht sich auch ganz doll

Weil alles deutsche Reinkultur

 

Das sind auch Hakenkreuz und Hirschgeweih

Hitlers Blondi und SS

Mädchen, die er niemals haben kann

Und sein Kampfhund „Rudolf Hess“

 

Wer AfD wählt, wird im Suff gezeugt

Aus Zufall trieb man ihn nicht ab

Er wurd mit Bier und Wein und Koks gesäugt

Und zur Belohnung gab es Schnaps

 

Wer AfD wählt, braucht kein Hirn im Kopf

Denn der ist gefüllt mit Stroh

Wenn ihm einer auf die Fresse klopft

Sagt er „Herein“ und ist ganz froh

 

Wer AfD wählt, hat ’nen fetten Arsch

Und den sitzt er sich dann platt

Dazu rülpst er den Radetzkymarsch

Wie’s einst der Nazi-Opa tat

Es liegt leider noch keine Musik vor (vielleicht will ja wer?), dennoch durchhaucht meine bescheidenen Zeilen der Odem meiner nicht enden wollenden Sympathie für die Nachbar_Innen* von der Rechtsfront, und ich möchte ihnen von dieser Stelle ein herzliches „Sieg Geil!“ entgegenschmettern – gebt nicht auf – alles wird gut!

Der Dichter

(PS: Wahlzettel unterschreiben nicht vergessen).